Warum es geil ist, V8 zu fahren

Die Sonne ist noch ein paar Minuten unter dem Horizont, die Nacht war frisch. Du stehst am Fenster, der Kaffeeduft steigt aus der Tasse in Deiner Hand direkt in Deine Nase. Tau hat sich über all den Autos auf dem Parkplatz abgesetzt. Der Schleier lässt alle Wagen gleich aussehen. Fast alle.

Du fährst mit einem Finger über den Hüftschwung und zeichnest die Konturen im Morgentau nach. Kramst den Bund aus der Tasche, führst den dünnen Schlüssel langsam in das Schloss. Fast lautlos ist die Tür entriegelt. Du spürst die Pickel im Chrom, als Dein Daumendruck sie aufspringen lässt.

Noch müde gleitest Du auf den Sitz und legst eine Hand lose auf das filigrane Lenkrad. Der Geruch von frischem Morgen vermischt sich mit dem Geschmack der schwer flüchtigen Bestandteile der Lacke und Pflegemittel, die Du noch vor ein paar Wochen für die Aufarbeitung benutzt hast. Kurz denkst Du an all die Stunden in der kalten Garage, die Mühe und die
Verletzungen. Jetzt ist das alles kein Traum mehr, der Dich jeden Tag motiviert, jetzt zahlt sich all das aus...

Deine Augen gleiten über die Instrumente, das Armaturenbrett, die Mittelkonsole. Der satte Klang der zufallenden Tür umhüllt Dich mit Geborgenheit, bereitet Dich auf das vor, was nur einen Schlüsseldreh entfernt ist. Ohne hinzusehen findest Du das Zündschloss, der Schlüssel gleitet hinein. Das Quietschen des Vergasergestänges erinnert Dich daran, das es immer noch diese Kleinigkeiten gibt, die Du erledigen musst. Zweimal pumpen, na gut, ist kalt heute, also dreimal. Du drehst den Schlüssel, und noch bevor Du Dich an das Geräusch des Anlassers gewöhnst, bricht der Motor los. Das ist die volle Stimulation aller Sinne. Das dumpfe Grollen der ersten Verbrennungen wird in Sekundenbruchteilen zum unruhigen Stampfen der Kolben im viel zu kalten Motor. Der Sound, die Vibrationen... Bilder von zähem Öl auf den Zylindern und Benzintröpfchen in der Ansaugspinne huschen vor Deinem geistigen Auge vorbei.

Mit jeder Sekunde verwächst Du mehr mit dem Wagen, Deine Augen, Ohren, Nase, Hände, Füße und **** werden zu Schnittstellen. Nichts außerhalb des Decklacks ist jetzt von Bedeutung. Zweimal stößt Du kurz aufs Pedal um die Verbindung zu festigen. Nach ein paar Augenblicken weicht die Aufmerksamkeit der Entspannung, dem vertrauten Klang der 8 Zylinder.

Du lehnst Dich zurück, kramst den Tabak aus der Tasche. Noch ist es zu früh um einen Gang einzulegen. Soll sie sich erstmal ein bisschen aufwärmen. Du lässt alle 4 Fenster runter, der leichte Wind kommt von vorne, so bleiben die Abgase draußen. Drehst Dir eine Zigarette, steckst sie hinters Ohr. Natürlich rauchst Du in diesem Auto nicht.

Du trittst auf die Bremse und stellst die Automatik auf R. Der Ruck, als die Bremsbänder greifen, erinnert Dich daran, dass Du hier keinen Polo fährst. Du drehst Dich um und lässt die Bremse langsam kommen. Unter genüsslichem Brabbeln frisst sich der Wagen aus der Masse hervor... Ein Hauch von Auspuffgasen bahnt sich den Weg ins Wageninnere. Der Geruch von unverbranntem Benzin knallt Dich 25 Jahre zurück... Als Lambdasonden noch von Volvo waren, alle Autos noch qualmten, Englische Miltärjeeps mit heulenden Reifen vorbeirasten und Düsenjets im Überschall-Tiefflug die Wohnzimmerfenster erbeben ließen.

Ohne bewusst drüber nachzudenken, legst Du D ein und gehst von der Bremse. Ziemlich oft musst Du das Lenkrad drehen bis Du gerade auf der Straße bist, dann legst Du leicht den Fuß auf das Gas, die Fuhre geht... Mit der allergrößten Entspanntheit erhöht der V8 langsam seine Drehzahl, schaltet sanft in den Zweiten und Dritten noch bevor Du das Ende der Straße erreicht hast. Das Klicken des Blinkrelais verzaubert mit seinem langsamen Takt die Verzögerung vor der abknickenden Vorfahrt. Aus dem Stillstand gleitest Du auf die zweispurige Hauptstraße, rollst fast im Standgas den Berg hinauf, die paar hundert Meter bis zur Ampel. Du hälst auf der rechten Spur.

Dein Blick hängt am Innenspiegel, aus Gewohnheit. Der tiefergelegte 2er Golf wechselt 50m hinter Dir auf die linke Spur. Alles klar. Natürlich schaust Du nicht zu Seite. Denn Du weißt, wenn die Fußgängerampel auf grün geht, zählst Du langsam eins, zwei, drei, vier... Als die Ampel auf rot-gelb geht, trittst Du sachte aufs Gas. Du kommst besser weg, aber er hat sich wirklich Mühe gegeben. Schon nach zwanzig Metern zieht er Dir davon. Schwarze Wolken blasen aus seinem
Doppelfurzrohr als er den zweiten Gang nicht erwischt. Du beobachtest wie er seinem Liter Hubraum alles abverlangt, während die Automatik den dritten einlegt. Wer würde schon für so eine Asphaltbeule seinen kalten Motor hochjagen? Du sicher nicht. Du siegst durch Stil.

Du biegst auf die Durchfahrtsstraße ab und genießt den runden Sound in den Häuserschluchten. In dem kurzen Tunnel trittst Du mal ein bisschen weiter durch, die Tunnelwände vervielfachen das Auspuffgebrüll, das macht Dich wirklich scharf. Aber das Kühlwasser ist gerade erst auf Betriebstemperatur, also wird das Öl noch zu kalt sein.

An der Tankstelle tankst Du fürn Fünfziger. Das reicht für heute. Beim Verriegeln der Tankklappe fällt Dir der Typ an der Zapfsäule gegenüber auf. Mitte dreißig, Minivan, drei Kindersitze. Der Blick auf Dein Auto...

Auf der Landstraße wird es etwas zugig mit allen Fenstern unten, also fährst Du rechts ran und ziehst Deine Jacke an. Du gehst eine Runde um den Wagen, um die Reifen zu begutachten, und genießt die Schwebungen im Auspuffsound als Du hinten rumkommst... Jetzt pisst Dich die Karre nicht mehr mit Öl aus den Auspuffrohren an, wie damals, als Du sie gekauft hast... Gerade in dem Moment erwischen Dich die ersten Sonnenstrahlen, die ihren Weg über den Mais machen. Du drehst Dich der Sonne zu, schließt die Augen und hockst Dich auf den Kofferraumdeckel. Unter Dir singen die Auspuffrohre, du fühlst das vibrieren im Hintern. Wie aufgeladen steigst Du auf den Fahrersitz. Drehst das Lenkrad nach links und trittst aufs Gas.

Hier ist nix los. Was Du brauchst, ist anspruchsvolle Gesellschaft. Auf der Zufahrtsstraße im fließenden Verkehr unterwegs. Verkehrsteilnehmer werden in Millisekunden auf Marke, Motor und Reifenbreite hin abgecheckt. Nix dabei, vom Berufsverkehr kennst Du schon einige. Dein Jagdtrieb ist geweckt. Beute muss her! Und nicht zu Kleine!

Im Gedrängel erspähst Du einen 911. 5 Autos vor Dir, auf der linken Spur. Du biegst links ab und heizt über die Nebenstraße. An der nächsten Kreuzung bist Du vor ihm. Er wechselt auf die andere Spur...

Wenige Minuten später stehst Du vor Deinem Wagen. Holst die Zigarette hinter dem Ohr hervor und steckst sie an. Fühlst die Wärme der Motorhaube, siehst das Flimmern, hörst das ticken und riechst die Bremsen. Und Du weißt, dass sich all das Geld, die Mühe, der Schweiß, das Blut und die Zeit gelohnt haben. Dass Du die richtigen Entscheidungen getroffen und die richtigen Fragen gestellt hast.

Und, dass es sich lohnt, eine Stunde früher aufzustehen.

Quelle: Aus einem US-Car-Forum


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