Recherchiert von Michael Keller
"Station Wagon" bezeichnete ursprünglich eine Kutsche mit der im Wilden Westen Personen und Waren von der Bahn-Station abgeholt wurden. Je nach Zweck konnten zusätzliche Sitzbänke montiert werden oder es gab halt mehr Laderaum. Ist wie mit unseren heutigen Pampersbombern... Die andere Bezeichnung ist im Laufe der Jahre mehr oder weniger abhanden gekommen: "Depot Hack" - wobei sich Depot auf den Güterschuppen am Bahnhof bezog. Käufer waren v.a. Farmer, Rancher, Ladenbesitzer und die Eisenbahnen.
1926 Ford Model T Station Wagon by York
Frühe motorisierte Station Wagon hatten eine Aussenhülle aus Holz, zusammengehalten von einem Rahmen. Dazu kam ein festes Dach und eine Heckklappe (später meist eine Tür). Seiten- oder Heckscheiben ab es erst ab Anfang 30er-Jahre, davor boten Planen, die seitlch am Dach aufgeollt waren, einen mimimalen Wetterschutz. Das waren echte MPVS - Multi Purpose Vehicles, die oft auf ein Truck-Fahrgestell gesetzt wurden. Ford zB hat auch seine aus PW abgeleiteten Station Wagon bis mindestens 1934 im Nutzfahrzeugkatalog aufgeführt.
1940 Pontiac Series HA Special Six Model25 Station
Edelkombis kamen etwa zur gleichen Zeit auf. Grosse Hersteller wie eben Cantrell (1915-58) kamen auf die Idee, besonders luxuriöse Varianten zu bauen mit edleren Hölzern und Ausstattungen - und mit Kurbelfenstern. Verwendet wurden praktisch alle PW-Fahrgestelle (ein Duesenberg ist mir allerdings noch nicht untergekommen, wohl aber ein Pierce-Arrow Cantrell Station) Zur Kundschaft gehörten Landhotels und reiche Leute, die sich einen abgelegenen Zweitwohnsitz leisteten. Sie reisten idR komfortabel mit der Bahn an und wollten vor Ort ein passendes Auto zur Verfügung haben. So kamen die gehobenen Buick Station Wagon zur Bezeichnung „Estate“ – die im übrigen in GB heute noch Sammelbegriff für Kombis ist.
1949 Packard Eight Station Sedan
Holz wurde verwendet weil das schon immer so war. Ausserdem rechtfertigten die geringen Stückzahlen kein eigenes Tooling (auch ein gewöhnliches "Arbeitspferd" kostete ein Schweinegeld während zB Pickups relativ billig waren). Ausserdem gelang es erst ab Mitte der Dreissigerjahre, eine Pressform für das Dach eines Sedan zu konstruieren (zB Pionier GM ab 1934). Station-Dächer sind noch länger...
Doch das echte Holz hatte erhebliche Nachteile. Zwar waren seriös konstruierte "Woodies" überaus langlebig doch erforderten sie viel Pflege. Im Herbst wurde idR das ganze Holz geschliffen und neu mit Firnis bestrichen.
Der erste Ganzmetall-Station Wagon erschien 1949 von Plymouth: Der zweitürige P-17 Suburban mit horizontal geteilter Heckklappe. Allerdings vertraute man der Idee nicht vollständig und bot in der Special de Luxe (P-18-) Baureihe einen konventionellen "Woodie"-Viertürer an.
1954 Plymouth Savoy Series P-25-2 Station Wagon
Dieser 54er Plymouth Savoy Series P-25-2 Station Wagon hat noch die Grundstruktur des ersten Ganzstahl-Suburban. 1
Die Sorge war unbegründet. Die Autos liessen sich jetzt weitaus rationeller und damit preiswerter produzieren. Das wiederum machte sie für einen wachsenden Kundenkreis interessant: Mittelständler aus den Vororten. Eine amerikanische Liebesgeschichte begann, die jahrzehntelang andauern sollte. Das Holz aber hatten sich Generationen von Amerikanern als Bestandteil eines Station Wagon eingeprägt. So kam es als Folie auf das Blechkleid und blieb dort – und eroberte sogar die Topausführungen von MPVs.
1958 Rambler Ambassador Cross Country Station Wago
Besonderheit: keine B-Säule, also eigentlich ein 4door Hardtop Wagon.
1967 Ford Country Squire: Full Size Station Wagon
1974 Chevrolet Vega Estate Wagon
Aber nicht alle “Woodies” waren Station Wagon. 1941 Jahre stellte Chrysler den Prototyp eines ausserordentlich luxuriösen hölzernen Wagon mit Metalldach vor und nannte ihn Town & Country. Das Modell ging 1942 als 6- oder 9-Plätzer in Serie und wurd 1099 x gebaut (150 6-Plätzer). 1946 griff man die Idee wieder auf und legte dazu ein und einen Sedan auf. Diesmal gab es eine eigene Modellreihe mit Sedan und Convertible, alle mit dem 6-Zylinder des Windsor oder dem New Yorker Straight 8.. Dazu kamen 8 Brougham genannte Hardtops als Prototypen (einer war ein 6-Zylinder).
Bereits 1947 gab es nur noch den Sedan mit 6 und das Convertible mit 8 Zylindern. der Sedan lief 1948 aus, das Convertible Mitte 1949. Den Nachfolger gab es mit modernisierter Karosserie nur noch als Cabrio, das 1950 durch ein „Newport“ genanntes Hardtop abgelöst wurde.
Alle geschlossenen Versionen hatten Blechdächer aber nur die erste Ausführung von 1946 bis Mitte 1949 („First Series“) verwendete Echtholz für Paneele und Leisten (welche tragende Funktion hatten). Die 49er „Second Series“ und 50er Modelle hatten nicht tragende Holzleisten und Folien über Blech. Die Bezeichnung Town & Country blieb jahrzehntelang erhalten für die luxuriösesten Wagon (vergleichbar New Yorker) und zuletzt für den Minivan, den wir in Europa als Voyager kennen.
1950 Chrysler Windsor Newport Town & Country
Weniger bekannt ist, dass es noch andere Modelle mit Holzstruktur gab: Nash hatte auf dem 46er Ambassador einen Woody-Sedan (Modell 4664) – nicht einfach herzustellen denn man verwendete bereits eine Käfigbauweise, bei der Chassis und Karosseriestruktur eine Einheit bildeten.
Neben den traditionellen Woodies boten Ford und Mercury je ein „Sportsman“ genanntes Convertible an mit Holzplanken an der Seite und am Heck. Dies war auch eine preiswerte Lösung, der Materialknappheit unmittelbar nach dem Krieg entgegenzuwirken: Holz wuchs in den riesigen Ford-eigenen Wäldern zur Genüge. Als Basis dienten gewöhnliche Convertibles. „Sportsman“ erhielten serienmässig Lederausstattung, hydraulische Fensterheber und zwei Schminkspiegel. Produziert wurden
1946: 1208 Exemplare; 1982 $
1947: 2250 Exemplare; 2282 $
1948: 28 Exemplare (umnummerierte 47er) ; 2282 $
Ein 46er Ford Super Deluxe Convertible kostete 1488 $.
Ein normales Mercury Convertible hatte einen Basispreis von 1604 $, der „Sportsman“ kostete 2078 $. Nur total 205 Mercury Sportsman wurden gebaut.
Holzimitation ab Werk (es gab immer wieder mal reiche Rancher oder Hollywood-Leute, die sich so was als Einzelstück anfertigen liessen) gab es bei Mercury kurz noch einmal Ende der 60er und dann noch um 1982 als unsäglichen Chrysler T&C.
In Europa entstanden ebenfalls Woodies. Ich habe Fotos mit solchen Aufbauten auf Fahrgestellen von RR, Bentley, Hispano-Suiza und anderen gesehen. Bekannt waren auch Fiat Topolino Giardinetta und Mini Clubman Estate.
Ein Kapitel für sich sind „Skiff“, ein Karosserietyp, der vor 1930 praktisch ausgestorben war. Hier wurden zumeist offene Karosserien mit Spitzheckkomplett aus Holz in Bootsbauweise hergestellt, auf exklusive Chassis gesetzt.
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