Recherchiert von Michael Keller
Charles W. Nash hatte eine schwere Kindheit. 1869 in Illinois geboren, wuchs er getrennt von seinen Eltern auf die nichts mehr von ihm wissen wollten. Mit 12 Jahren eine erste Anstellung auf einer Farm. Dann erlernte er das Schreiner-Handwerk und eignete sich Kenntnisse im Polster- und Sattler-Gewerbe an.
In diesem Beruf fand er in den frühen 1890er Jahren Arbeit beim Kutschenbaubetrieb Flint Road Cart Company in Flint MI . Dort fiel er einem der beiden Eigentümer auf: William Crapo Durant.
1895 leitete er die inzwichen in Durant-Dort Carriage Company umbenannte Firma, 1910 die Buick Motor Car Company (die Keimzelle von General Motors) und kam 1912 an die Spitze von GM nachdem Durant dort von den Kapitalgebern hinausgeworfen war weil seine Investitionspolitik - er baute sein Imperium auf indem er mehr oder weniger marode Firmen aufkaufte – die Firma beinahe in den Konkurs getrieben hätte. Nash verlor seinen Job 1916 als Durant die Aktienmehrheit zurückgewann und vorderhand wieder das Sagen hatte. Es ist anzunehmen. dass die Trennung nicht sehr einvernehmlich verlief denn diese Erfahrung war für Nash so prägend, dass er beschloss, nie wieder für jeden anderen zu arbeiten. So kam es, dass er sich nach einer einer der zahlreichen bestehenden Autofirmen umsah…
Die Thomas B. Jeffery Company entstand aus der Fahrradfabrik Jeffery & Gormully in Chicago, damals zweitgrösster Fahrradhersteller in den USA. Unter dem Label G & J stellte die Firma ausserdem Reifen her. Die Automobile der Firma hiessen gleich wie die Fahrräder: Rambler. Experimentalfahrzeuge entstanden nach 1897, darunter zwei Prototypen von Jeffery’s Sohn Charles mit Frontmotor und Lenkrad. Leider gingen sie nicht in Serie, sie nahmen das Konzept des Mercedes Simplex vorweg…
1897 Rambler 'Quad' Experimental Runabout
Die Fahrradproduktion wurde 1900 an den Marktführer American Bicycle Company des Colonel Pope verkauft (aber das ist eine gaaaanz Geschichte). Jedenfalls kaufte Jeffery aus dem Erlös eine grosse Fabrik in Kenosha WI und richtete sie ganz auf die Automobilproduktion aus. Schon im ersten Verkaufsjahr (1902) verliessen rund 1'500 Fahrzeuge das Werk. Das machte Rambler auf Anhieb zum zweitgrössten Hersteller der USA (hinter Oldsmobile). Gleichzeitig war Rambler - ebenfalls nach Oldsmobile - der zweite Hersteller der Autos am Fliessband baute Henry Ford war mit dem Modell T nicht das erste!). Und das erst noch, anders als Olds oder Ford, im oberen Preissegment.
Bis 1905 entstanden robuste, zuverlässige Ein- und Zweizylinder mit 6 bis 16 HP und zu Preisen zwischen $750 und $3,300 – letzteres klar im Luxusbereich. Ab 1906 entfiel der Einzylinder, dafür kamen gleich zwei Vierzylinder mit 25 oder 35/40 HP dazu. 1909 verliessen die letzten Zweizylinder, nun mit immerhin 22 HP und Preisen ab $1,150, das Werk.
Wie viel Anteil an diesem Erfolg der Werbeleiter (und spätere Autobauer) Edward S. „Ned“ Jordan hatte wird sich wohl nie ganz klären lassen. Jedenfalls war die Marke für blumige Werbeslogans bekannt – was Ned Jordan später in seiner eigenen Fabrik fast zur Kunstform erheben sollte. Sein „Somewhere West of Laramie“- Inserat schrieb jedenfalls später Werbegeschichte. Aber auch das ist eine gaaaanz andere Geschichte...
Jordan war auch dafür verantwortlich, dass Rambler ansprechende Karosseriebezeichnungen wie „Country Club“ oder „Cross Country“ (zwei Versionen eines offenen Touring) während sich die Konkurrenz mit trockenen, mehr oder weniger logischen Buchstaben- und/oder Zahlenkombinationen zufrieden gab. Die Produktion pendelte sich bei ca. 3'000 Autos jährlich ein. Die Werkskarosserien sowohl für PW wie auch LKW liess Rambler bei der Seaman Body Corporation in Milwaukee WI produzieren.
Eine weitere Innovation verdankt die Automobilwelt dem Rambler: Das Ersatzrad. Kam es zu einem der häufigen (technologie- und "strassen"-bedingten) Reifenplatzer der frühen Luftreifen dann gab es zwei Möglichkeiten: Entweder musste der Felgenkranz mühsam von jeder Speiche gelöst, getauscht und wieder montiert werden (falls Ersatzreifen mit Kranz mitgeführt wurden) oder das Rad wurde abgenommen (idR mit Spezialschlüssel, Imbus oder Innensechskant), der defekte Reifen abgezogen, der Schlauch repariert oder getauscht, der Reifen wieder aufgezogen, aufgepumpt und das Rad wieder am Auto befestigt.
So oder so war das eine schmutzige, mühselige und zeitraubende Arbeit. Bedankt Euch also bei Vater und Sohn Jeffery, dass Euch das heute erspart bleibt!
Am 2. April 1910 verstarb Thomas Jeffery völlig unerwartet an einem Herzversagen. Sohn Charles übernahm die Geschäfte und führte die Firma erfolgreich weiter.
1912 Rambler 73-4CC Cross Country
1914 benannte Jeffery die Marke zu Ehren seines Vaters um in Jeffery - wirtschaftlich keine sinnvolle Massnahme, war der Name Rambler doch bestens eingeführt in den USA.
Frank Fageol, Jeffery-Vertretung an der Telegraph Avenue in Oakland CA, 1914. Man beachte die zahlreichen zur Auslieferung bereitgestellten Trucks (Oakland Tribune & pnwnash) |
Am Produkt änderte sich wenig, weiterhin gab es solide, kraftvolle Automobile der Mittel- und Oberklasse mit 4 und 6 Zylindern.
1914 Jeffery 93 Touring
1915 Jeffery Truck Seaman Body Corp Milwaukee
1915 Jeffery Truck Seaman Body Corp Milwaukee
Charles Jeffery reiste 1915 mit der RMS Lusitania nach Europa. Das Passagierschiff der Cunard Line (der auch die Titanic gehört hatte) wurde am
7. Mai 1915 vom deutschen U-Boot U-20 ca. 30 km vor der irischen Küste torpediert und sank innert 18 Minuten. Von den 1'959 Personen an Bord kamen 1'198 ums Leben, darunter 281 US-Bürger. Obwohl wichtige Akten bis heute von der Royal Navy unter Verschluss gehalten werden darf angenommen werden, dass das Schiff als Hilfskreuzer missbraucht wurde. Wracktaucher fanden zudem Waffen und Munition im Frachtraum.
Jeffery gehörte zu den glücklichen Überlebenden. Das Ereignis war aber derart einschneidend für ihn, dass er beschlosss, seinem Leben eine andere Richtung zu geben. Das war der eigentlich Grund dafür, dass er die Firma 1916 an Charles Nash verkaufte.
Zu diesem Zeitpunkt war Jeffery bereits ein Aussenseiter mit ca. 3'500 verkauften Autos (Buick zB verkaufte in diesem Jahr 124'834 Autos). Ein Jeffery Vierzylinder kostete ab $1,000; der Chesterfield Six mit 48 HP, nur als Touring für 5 Passagiere erhältlich, moderate $1,350. Das platzierte die Marke in der oberen Mittelklasse. Das Mass aller Dinge, der Ford Modell T (4 Zylinder, 176,7ci = 2896ccm, 20 HP), war Anfang 1916 ab $440 zu haben, das Mitte 1916 eingeführte Nachfolgemodell ab unschlagbaren $345.
1917 Jeffery Six Series 670 7-Pass Touring (Modell 671). 6 Zylinder, 261.3 ci (4282 ccm), 48 HP. |
Thomas und Charles Jeffery hatten aus dem verschlafenen Western-Städtchen Kenosha einen Industriestandort gemacht. Charles Nash und sein Partner James Storrow (auch ex-GM) erwarben die Firma zu einem Preis der gerüchteweise 9 Mio. Dollar betrug und nannten sie formell am 29. Juli 1916 in Nash Motors Company um.
Nash Series 680 Sedan und Motor eines 5-passenger Touring (1918 und 1919). 6 Zylinder, 248.9 ci (4079 ccm), 55 HP @ 2400/min; 25,35 Steuer-PS). |
1918 war das erste volle Geschäftsjahr unter den neuen Besitzern. Der Vierzylinder (Series 470) wurde eingestellt. Für den Sechszylinder (Nash Series 680) gab es kleine optische Änderungen und einen neuen Motor sowie mehr Karosserievarianten.
Das Auto blieb 1919 weitgehend identisch. Drei neue Karosserievarianten kamen hinzu sodass der Kunde aus 9 Werksaufbauten wählen konnte. Eine davon fiel 1920 bereits wieder weg, sonst änderte sich wenig. Das war auch nicht nötig denn die Jahresproduktion stieg kontinuierlich von 20'283 im Jahr 1918 auf 27'081 (1919) und 34'084 (1920).
Kenosha blieb für Nash – und später AMC – Stammwerk und Hauptsitz. Die Firmen prägten das Städtchen für Jahrzehnte.
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