Recherchiert von Michael Keller
Der Ruxton war das geistige Kind von William Muller, ehemaliger Konstrukteur von Rennwagen und Angestellter der Edward G. Budd Manufacturing Co. in Philadelphia.
Geplant war eigentlich nur, mit einem besonders extravaganten Einzelstück Budd's revolutionäre Ganzstahlkarosserie zu promoten. Bis weit in die Dreissigerjahre hatten geschlossene Aufbauten einen Dacheinsatz aus Wolle, Isoliermaterial und einer Art "Dachpappe". GM brachte erst 1936 die erste Serienkarosserie dieser Art (daher der Name).
Muller entwarf das Chassis und den Frontantrieb und Budd's Chefingenieur Joseph Ledwinka (verwandt mit Hans Ledwinka, Chefingenieur bei Tatra und einer der Väter der Stromlinienkarosserie) war für Konstruktion und Design der Karosserie verantwortlich. Naheliegenderweise entschied man sich für einen 4-door Sedan. Mit einem Radstand von 130 in (3302 mm) war das Auto ausgesprochen lang konzipiert. Wie beim Cord L-29, der zur gleichen Zeit bei Auburn entstand, nutzte man auch hier den konstruktiven Vorteils des Frontantriebs (keine Kardanwelle) um eine extreme niedrige Karosserie bauen zu können. Der Prototyp war den auch nur 1607 mm hoch, gut 25 cm weniger als ein konventioneller Wagen aus dieser Zeit.
1929 Ruxton Model C Berline mit "Woodlites"
Interessanterweise spielten die überlegenen Fahreigenschaften des FWD sowohl beim Cord wie auch bei Budd's Konstruktion keine bedeutende Rolle. Sie wurden zwar erwähnt, viel wichtiger schienen aber die neuen Möglichkeiten für die Karossiers. Jedenfalls weckte der Prototyp die Aufmerksamkeit von Archie Andrews, Vorstandsmitglied von Budd und Hupp (Hupmobile) und Wall Street-Financier. Dieser wollte das neuartige Auto unbedingt in Serie bringen. Also kaufte er den Prototypen und began mit der Suche nach einem, Hersteller, der das neuartige Auto bauen wollte. Er verhandelte zuerst mit der Hupp Motor Car Corp. in Detroit. Dort war man interessiert, zu einer Einigung kam es aber nicht. Nun ging Andrews das Projekt selber an. Anfang 1929 gründete er die New Era Motors Inc. in New York. Er selber fungierte als Präsident und Muller als Vize. Muller bereitete den Wagen für die Serienproduktion vor und Andrews versuchte die Finanzierung auf die Beine zu stellen und eine Produktionsstätte zu finden. So bekam der Wagen seinen Namen: Andrews benannte ihn kurzerhand nach dem prominenten New Yorker Broker William Ruxton. Dieser hat in der Folge...
...keinen Cent in das Projekt investiert.
1929 Ruxton Model C Roadster in "Lavendel"
Andrews verhandelte mit der Gardner Motor Co. In St. Louis. Die war interessiert, kniff aber ebenso wie zuvor schon Hupp. Mit der Marmon Motor Car Co. aus Indianapolis einigte man sich. Die Vertragsunterzeichnung war auf Dienstag, den 29. Oktober 1929 angesetzt. Der Tag ging in die Geschichte ein als "Schwarzer Dienstag" - der Tag des grossen Börsen-Crashs und der Beginn der grossen Depession, die fast ein Jahrzehnt dauern sollte. Marmon zog jedenfalls im letzten Moment die Notbremse...
Nacheinander ging Andrews nun Jordan, Pierce-Arrow und Stutz an. Keiner wollte den Deal. Schliesslich prüfte er die Moon Motor Car Co. in St. Louis, die kurz vor dem Kollaps stand. Andrews kaufte Moon-Aktien bis er die Firma kontrollierte. Hier begann im Sommer of 1930 die Produktion des Ruxton. Bald zeigte sich, dass die Fabrik den Anforderungen nicht vollauf gerecht wurde - und Andrews war bereits wieder auf der Suche nach zusätzlichen Produktionsflächen. Fündig wurde er bei der Kissel Motor Co. in Hartford, Wisconsin. Diese Firma brauchte er nicht zu kaufen, sie steckte in finanziellen Schwierigkeiten und begrüsste die Aussicht auf eine bessere Auslastung ihrer Anlagen. Ruxton wurden schliesslich sowohl bei Moon wie bei Kissel gefertigt, wobei Moon die meisten gebaut hat.
29er Ruxton Model C Roadster
Als der Ruxton in Serie ging, hatte er einen seitengesteuerten Reihenachtzylinder von Continental mit 268.6 ci, (4.4 Liter) und 100 HP - 20 weniger als der Cord L-29. Wie bei diesem sass der Motor "verkehrt" herum im Chassis. Flywheel, Kupplung und ein von Muller erfundenes Transaxle - System sassen vorne. Dieses hatte drei Gänge. Der erste und der Rückwärtsgang sassen vor dem Differential, der zweite und dritte dahinter. Dies ermöglichte eine sehr kurze Motor- / Getriebekombination. Das Styling wurde praktisch unverändert vom Prototyp übernommen. Es war schlank, niedrig, mit einer langen Motorhaube und ohne Trittbretter. Ruxton waren auch in wilden Farbkombination mit bis zu acht Farbtönen erhältlich. Die meisten erhielten ausserdem die als Zubehör erhältlichen "Woodlite" Scheinwerfer. Diese sollten das Licht auf einen schmalen und starken Strahl konzentrieren. Die Depression hatte die Zahl potentieller Kunden drastisch reduziert, die 3000 $ für ein neuartiges Auto ausgeben konnten - und wollten. Und von jenen, die konnten und wollten, kauften viele den Konkurrenten Cord L-29.
1930 Ruxton 5-Passenger Berline
Ob das Aus für Ruxton Ende 1930 oder Anfang 1931 kam, ist nicht ganz klar. Ungefähr 500 Stück sind gebaut worden. Gardner, Moon, Kissel, Jordan,. Marmon und Stutz mussten ganz zu Beginn der Wirtschaftskrise aufgeben. Pierce-Arrow folgte 1936. Cord produzierte den L-29 bis 1933 und nahm mit dem 810 / 812 von 1936-37) einen zweiten Anlauf. Hupmobile schloss 1941 - nachdem ironischerweise zuletzt mit dem Skylark ein Modell produziert worden war, dessen Karosserie aus den Pressformen des Fronttrieblers Cord 812 entwickelt worden war.
Während sich in Europa der Frontantrieb etablieren konnte (DKW, Adler, Citroën), sollte in den USA erst 1966 wieder ein Serienwagen mit FWD entstehen: Der Oldsmobile Toronado...
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