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Recherchiert von Michael Keller

Ja, einst gab es neben den "Grossen Drei" noch einen vierten Automobil-Konzern.
Zwar bedeutend kleiner als diese - und mit einem Design-Budget pro Modell ausgestattet, das damals bei GM knapp für ein neues Logo ausgereicht hätte.

Aber AMC hatte eine Geheimwaffe: Den Design-Chef Richard A. Teague. Der war keiner der sich als verkappter Künstler sah sondern "Auto-Freak" durch und durch. 4-500 Klassiker soll er in seinem Leben besessen haben.

Design-Zeichnungen des Rambler Tarpon

Als sein Brötchengeber Packard die Tore in Detroit schloss und er bemerkte, dass Arbeiter alte Fotoplatten aus dem Werksarchiv zertrümmerten um an den hauchdünnen Silberfilm hinter dem Glas zu zu kommen organisierte er auf eigene Faust einen Truck und liess das ganze Material bei sich zu Hause in den Vorgarten kippen.

Später hat er es in langjähriger Kleinarbeit aufbereitet und dem Automobilmuseum in San Diego CA geschenkt. Dabei war er gerade mal drei Jahre bei Packard...

AMC entstand 1954 aus der Fusion von Hudson und Nash. Beide waren biedere Anbieter von Mittelklassewagen. Beide waren typisch amerikanisch, gingen aber einen Design-Weg abseits vom Mainstream und beide hatten grosse Probleme. Die Produktion wurde in Kenosha WI bei Nash konzentriert. Ab 1958 wurden AMC-Produkte als Rambler verkauft. American Motors etablierte sich als Hersteller kleiner, ökonomischer und praktischer Gebrauchswagen. Wer etwas Aufregendes wollte ging anderswo shoppen...

Teague kam 1959 ins AMC-Design-Studio, dessen Leitung er 1961 übernahm. Von 1962 bis zu seiner Pensionierung 1983 war er Vice-President of Design.

AMC-Designer 1961; R. Teague ist der 2. von links

Das AMC-Management wollte das etwas hausbackene Marken-Image loswerden. Die Antwort sollte ein sportlicher Prototyp namens Tarpon sein. Ausgehend von einem Cabrio aus der kompakten American-Baureihe (dem Vorbild für Chrysler Valiant, Ford Falcon und Chevy II) entstand ein niedriges, sportliches Fastback mit angespitzt auslaufendem Heck. Bei gleichem Radstand (106 Zoll) war der Tarpon etwas länger (180 statt 177,25 Zoll). Ausserdem war er wegen der um ca. 5 cm niedrigen Dachlinie nur 133,3 cm hoch.

1964 Rambler Tarpon

Optisch gab es leichte Variationen beim Trim und der Grill war eigenständig.
Anstelle der 14 Zoll Stahlräder erhielt der Tarpon 13-zöllige Alufegen, was ihn noch niedriger machte. Das spektakuläre am Design war jedoch das Dach, das in einer sanften Linie bis zur hinteren Stosstange abfiel.

Rambler Tarpon; oben mit dem Leiter des Advanced Design Studios, Chuck Mashigan.
Die niedrige Bauhöhe und das individuelle Heck kommen gut zur Geltung
(Werkbilder; Wikipedia) 

Der Kofferraum war von aussen nicht zugänglich. Die Heckscheibe war praktisch flach eingebaut. Zu den technischen Besonderheiten gehörten vordere Scheibenbremsen.

1964 Rambler Tarpon (Werkbild)

Der Tarpon wurde der Society of American Engineers (SAE) an deren Jahreskongress Ende 1963 präsentiert, an der Detroiter Auto Show des folgenden Jahres gezeigt und machte dann die übliche Tour durch die Staaten: AMC hatte sozusagen den Mustang erfunden bevor dieser (Mitte 1964) vorgestellt worden war. Auch der Mustang sass übrigens auf dem Rahmen eines Kompaktwagens, namlich des Falcon.

Der Tarpon an der Detroit Auto Show, 1964. Das schwarz abgesetzte Dach ist ein kleiner Geniestreich... (Quelle carstyling.ru) 

Kurz vor dem Mustang hatte Plymouth mit dem Barracuda ein Modell auf der Strasse mit ähnlichem Konzept wie der Tarpon: Vorne Valiant aber ein eigenständiges, sportliches Heck.

Die Lösung der Konkurrenz: 1966 Plymouth Barracuda

Nur in Serie ging der Tarpon nie. Der Grund war, dass die eigene Marktforschung einen V8 als zwingend erforderlich ansah, der geplante leichte V8 aber noch nicht bereit war. Der vorhandene passte nicht in den Rahmen des American.

Die Lösung des Managements war recht hemdsärmelig und zerstörte das Design: Dachlinie und Heck der Tarpon wurde auf die nächstgrössere Baureihe, den Classic, übertragen. Ausserdem ordnete das Management eine Erhöhung der Dachlinie um einen Zoll an.

Das Team um Teague machte das Beste daraus und präsentierte 1965 den Marlin.

Richard Teague hatte mit seinem concept car praktisch den Mustang noch einmal erfunden: Ein sportliches Coupé (OK, den Mustang gab es auch offen) auf der kleinsten erhältlichen Plattform. Das war im Falle des Tarpon die American-Bodengruppe. Doch da passte, wie schon erwähnt, der AMC V8 nicht hinein. Abgesehen davon verdiente Rambler Geld mit stinknormalen Autos - damals die Baureihen American, Classic und Ambassador - und nicht mit Extravaganzen die sich auf den Automobilsalons gegenseitig die Show stahlen.

Andererseits gefiel der Tarpon dem AMC-Chef Roy Abernethy eigentlich. Teague hatte auch die oberste Direktive der AMC-Modellpolitik verinnerlicht: Millionen für neues Tooling waren nicht vorhanden - also waren Ideen gefragt, die sich auf den bestehenden Pressformen realisieren liessen. Weil ein kleines bisschen Glamour im Automobil-Business selten schadet, durfte der Tarpon in ausgewählten Städten dem Publikum gezeigt werden.

Die erste und letzte dieser Städte war Los Angeles. Nach der zweiten, San
Francisco, kam er schon nicht mehr. Inzwischen war nämlich die Entscheidung gefallen, das Design auf den grösseren Classic zu übertragen. Teague war nicht glücklich darüber denn die Linien harmonierten keineswegs. Er meinte später, Abernethy hätte sich anstelle eines 2+2 für ein 3+3 Sportwagen entschieden.

1965 Rambler Marlin (Werkbild; marlinautoclub)

Am Heck ist der 65 er erkennbar am Schriftzug "Rambler" in Blockbuchstaben. Die Schlussleuchten erschienen 1967 noch einmal.

Das Team, das unter Teagues Führung das neue Design entwickelte, bestand aus Bob Nixon (später unter Chrysler-Führung Chefdesigner für Jeep), Vincent Geraci (bei Chrysler später verantwortlich für Produktdesign und -Identität), Fred Hudson, Neil Brown, Don Stumpf und Jim Pappas. Gerade Nixon war nicht sehr erfreut und verglich die Anstrengungen, das Auto zur Serienreife zu bringen etwas drastisch mit dem Versuch, eine Corvette auf einer Buick-Sedan-Plattform bauen zu wollen.

Die „Uni-body“-Konstruktion des Rambler Marlin

Das neue Fahrzeug war immerhin 15 Zoll länger (195 statt 180), hatte einen Radstand von 112 statt 106 Zoll und war 1 ½ Zoll höher als der Tarpon. Ausserdem bestand der 1.93 m-Hüne Abernethy darauf, auf dem Rücksitz Platz zu nehmen. Das führte dazu, dass die Dachlinie zum Entsetzen der Designer im hinteren Bereich um ca. 1 Zoll angehoben werden musste. Für den neuen Entwurf schlug Teague den Namen Marlin vor.

1965 Rambler Marlin (howstuffworks)

6 Personen passten in den Marlin – aber nicht ihr Gepäck…

Es darf vermutet werden, dass der Transfer auf die grössere Plattform nicht nur mit dem fehlenden V8 zu tun hatte sondern auch eine strategische Entscheidung war. Abernethy plante, AMC so weit zu bringen dass die „Grossen Drei“ Modell für Modell angegriffen werden konnten. Wohl deshalb wurde der Marlin als eigene Baureihe geführt obwohl er technisch vollständig auf der Classic-Baureihe beruhte. Wenigstens erhielt er einen eigenen Kühlergrill - natürlich einer der mit der bestehenden Pressform für den Classic-Grill hergestellt werden konnte…

Der Marlin war mit $ 3,100 nur unwesentlich teurer als das Classic 770 2-door Hardtop ($3,063 als 6-Sitzer oder $ 3,089 mit Bucket Sitzen und Konsole). Trotzdem erhielt er eine bessere Grundausstattung. Dazu gehörten servounterstützte Scheibenbremsen, eine Zweikreis-Bremsanlage, eine Innenausstattung, die grösstenteils dem Top-Modell Ambassador entlehnt war, verstellbare Einzelsitze und Mittelkonsole.

Nur 2'005 Kunden wählten die Basis-Motorisierung mit AMCs 145 HP Six (232 ci) Optional gab es zwei V8: den 287 ci mit 198 HO und den 327 ci 4bbl mit 270 HP. Volle 42% der Erstjahres-Produktion hatten diesen Motor in Verbindung mit der Torque-Commander Automatik (eine verbrämte Mopar Torque-Flite) und Wählhebel auf der Konsole. Nur 6% aller Marlins hatten das optionale „Twin-Stick“ Schaltgetriebe mit OD, das mit jeder Motorisierung lieferbar war.

Option waren Heavy-Duty Aufhängung, Twin-Grip-Sperrdifferential, Servolenkung, verstellbare Lenksäule, elektrische fensterheber, getönte Scheiben (70% der Produktion!) und Radio. In jedem 2. Marlin war das AM/FM Gerät verbaut, oft in Verbindung mit Hecklautsprecher. Daneben gab es ein einfacheres AM-Gerät. Ohne radio kamen nur 221 Stück zum Kunden.

1965 Rambler Marlin (Wikipedia)

Der Marlin wurde am 10. Februar 1965 der Presse vorgestellt und stand ab 1. März bei den Händlern. Diese späte Markteinführung unter dem Jahr war ein geschickter Schachzug der dem neuen Auto mehr öffentliche Aufmerksamkeit einbrachte. Die Fachwelt nahm den Marlin gemischt auf. Gelobt wurden Fahreigenschaften, Innenausstattung und Bremsen. Motor Trend, ein führendes Fachblatt, befand, dass der Marlin gut ausbalanciert sei und eine Abrundung des bestehenden Angebots an sportlichen Coupés. Warum auch immer - Automobile Quarterly, eigentlich ein Magazin für Oldtimer und klassische Fahrzeuge, verstieg sich zu einem vollständigen Verriss. Der Marlin sei das hässlichste Auto, das Detroit produziere, die Sicht nach hinten sei völlig ungenügend, die Schlusslichter wären ebenso falsch positioniert wie das Lenkrad und die Sitze sowieso zu weich. Sogar die Form der Pedale wurde beanstandet. Nachdem derlei Kritik den Rambler Classic nicht betraf darf man sich schon fragen was das sollte.

Dass hingegen das einwärts gezogene Fliessheck polarisierte lag auf der Hand und war einkalkuliert. Interessanterweiser gehörten hauseigene Designer wie Nixon zu den schärfsten Kritikern.

Carl Cameron, der Design-Verantwortliche für den Dodge Charger (der im folgenden Jahr erschien) befand das Konzept des Marlin als einziges vergleichbar mit dem Charger. Letzterer war möglicherweise eleganter – aber da hatte sich ja auch kein CEO auf die Rückbank gesetzt und die Kopffreiheit bemängelt…

Das Marketing war von Anfang an auf das Segment der Personal Luxuries ausgerichtet. In der Intermediate-Klasse gab es bislang kein solches Angebot, die bislang existierenden Ford Thunderbird, Buick Riviera, Oldsmobile Starfire und Pontiac Grand Prix waren allesamt Full Size Automobile. Auch Fastbacks waren in der mittelgrossen Klasse zuvor nicht erhältlich. 10'327 Rambler Marlin wurden im ersten Produktionsjahr verkauft.

1966 AMC Marlin mit der Vinyl-Option

1966 AMC Marlin Interieur mit 4-Gang-Schalter

Für 1966 blieb der Marlin praktisch unverändert. Ab diesem Jahr wurde der Markenname Rambler nur noch für die American-Baureihe verwendet, Classic, Ambassador und Marlin liefen jetzt unter AMC. Entsprechend wurden der „Rambler“-Schriftzug an der Haubenfront durch „Marlin“ ersetzt und die Blockbuchstaben am Heck weggelassen. Der Grill wurde etwas abgeändert und enthielt einen schmalen Streifen in Wagenfarbe. Anstelle der 2. Farbe für das Dach war auf Wunsch ein schwarzer Vinylbesatz erhältlich. Vorne gab es jetzt auch für die Sechszylinder serienmässig einen Stabilisator. Die Grundausstattung wurde einfacher, dafür sank der Basispreis auf $2,601 und die Zubehörliste wurde länger. 4'547 Stück wurden verkauft.

1967 AMC Marlin (motorbase)

Für 1967 wurde der Marlin auf die Ambassador-Plattform übernommen, die in diesem Jahr neu herauskam. Die Entscheidung zur Produktion des Javelin war gefallen. Dieser sass auf der kleinen Bodengruppe und es wurde befürchtet, dass sich die die Kundensegmente der beiden Modelle überschneiden könnten. Ausserdem war ein Full Size Marlin besser in der Produktpalette unterzubringen und von den Kunden besser einzuordnen. Beworben wurde der Marlin im Ambassdador-Prospekt.

1967 AMC Marlin 327 4bbl (motorbase)

Es zeigte sich, dass die längere Haube des Ambassador zu besseren Proportionen führte. Teague meinte später, der 67er Marlin sei deshalb der formal ausgewogenste der drei Jahrgänge. Vorne gab es jetzt Doppelscheinwerfer übereinander. Die Heckscheibe wurde vergrössert doch das half wenig. Die hintere Stosstange war eigenständig doch griffen die Designer in die Trickkiste: Der Kofferraumdeckel der Vorgängermodelle wurde eingepasst und die Schlussleuchten des 65er wurden „reaktiviert“. Innen entsprach die Ausstattung mehr oder weniger dem Ambassador 990 oder DPL Hardtop. Eine Split Bench mit Mittelarmlehne und einem Polster für einen dritten Passagier vorne war optional. Ein kleineres Lenkrad sass auf einer neuen sicherheits-Lenksäule.

Basis-Motor war immer noch der Six aber nur 355 Marlin erhielten ihn. AMC hatte jetzt auch neue V8 im Regal: 290 ci 2bbl, 343 ci 2bbl (für Normalbenzin) und 343 ci 4bbl mit einer höheren Verdichtung von 10,2 : 1 und gut für 280 HP. Nur noch 2'545 Stück konnten verkauft werden und AMC stellte den Marlin zum Ende des Modelljahres ein.

American Motors baute einige Show Cars auf der Basis des Marlin. Der erste war der „Black Marlin“, der 1965 auf verschiedenen Automobilausstellungen zu sehen war. 1966 hiess das Show-Stück „Tahiti“. Er hatte eine leuchtend blaue Effektlackierung und ein Interieur mit "bright South Seas floral upholstery" samt passenden Kissen. Ich stelle mir darunter eine Art Hawaii-Hemden-Stoff vor…

Ein 66er Marlin erhielt versuchsweise die Ambassador-Front und ein „Marlin II“ genannter Prototyp wurde im gleichen Jahr auf die Ambassador-Plattform gesetzt - offensichtlich um den Effekt zu testen. Beide wurden zeitweilig von Richard Teague genutzt.

Der 66er Marlin mit Ambassador-Front

Der Marlin war das erste Modell einer neuen Produktinitiative, welche AMC als vierten Komplettanbieter etablieren sollte. Die nächsten Schritte waren „Go“-Pakete für die Volumenmodelle, Javelin (Pony Car, gerichtet gegen Mustang, Camaro & Co), AMX (Corvette-Herausforderer), Gremlin (Antwort auf europäische und asiatische Subcompact-Importe) und Pacer (innovatives Stadtauto).Dazwischen kaufte AMC von Kaiser das Jeep-Angebot. Damit mischte man einem bestens eingeführten Produkt plötzlich auch bei leichten bis schweren Geländewagen mit und besass eine Abteilung für leichte Nutzfahrzeuge.

Letztlich schlug der ehrgeizige Plan fehl. Das biedere Rambler-Image liess sich nie ganz abschütteln und AMC hatte weder den finanziellen Hintergrund noch die Kapazitäten um auf diesem Weg erfolgreich zu sein.

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