Recherchiert von Michael Keller
Das Wort 'Phaëton' hatte schon vor dem Protzkimobil von VW mehrere Bedeutungen.
Zuallerst ist Phaëton ein Name aus der griechischen Mythologie. Phaëton war der Sohn des Sonnengottes Helios und einer sterblichen Mutter. Er überredete Helios, ihn einen Tag lang den riesigen Sonnenwagen lenken zu lassen. Doch deser Tag wurde zum kosmischen Desaster: Phaëton versagte und der Helioswagen riss eine Schneise des Verderbens durch die Lebenswelt, sodass Gottvater Zeus himself eingreifen musste um die Erde und damit die Menschheit zu retten: Er zerschmetterte den Frevler mit einem Blitz und liess ihn in einen Fluss stürzen (Sage nach dem römischen Dichter Ovid). Fürwahr ein passender Name für ein neues Luxusauto...
Später bezeichnete Phaëton eine kleinere, zweiachsige Kutsche , die nicht von einem Bediensteten, sondern vom Herrn oder der Dame selbst gelenkt wurde.
Phaėton-Kutsche, ca. 1880
Sinngemäss wurde diese Bezeichnung in den Anfängen des Automobilbaus von vielen europäischen Herstellern übernommen, allerdings in der Regel nur für offene Zweisitzer.
1904 Polymobil Gazelle 6/10 PS Einzylinder
1930 Ford Model A Deluxe Phaėton
Viersitzer hiessen analog Doppel-Phaeton. Während sich der Begriff in D noch bis in die Zwanzigerjahre hielt, nannte man diese Aufbauten in F Torpédo, in GB setzte sich die Bezeichnung Tourer durch.
In den USA wurde das Phaëton im allgemeinen Runabout oder Roadster genannt, das Doppel-Phaëton hiess Touring. Dieser Begriff wurde dann eigenartigerweise nach und nach durch Phaëton ersetzt (womit immer eine mindestens viersitzige und in der Regel viertürige Version gemeint war).
1930 Ford Model A Deluxe Phaėton
Eine Besonderheit war das Dual Cowl Phaëton, das eine Blechabdeckung vor der Rückbank sowie eine umklappbare zweite Windschutzscheibe aufwies. In der Regel musste zum Besteigen des Fonds die hintere Türe geöffnet und die Abdeckung samt Scheibe hochgeklappt werden.
1930 Packard Custom 8 740 Dual Cowl Phaėton
komplett mit zweiter Windschutzscheibe und Seitenscheiben. Der Custom Eight gehörte zur Luxuslinie von Packard und wurde weitgehend mit Sonderkarrosserien ausgestattet. Diese stammt wahrscheinlich von Dietrich (Quelle: Velocity).
Phaëtons waren eher sportlich ausgerichtet und boten meist nur ein notdürftiges, meist ungefüttertes Verdeck. Den seitlichen Wetterschutz übernahmen Stoffbahnen mit Sehschlitzen, die mit Clips an Verdeck und Karosserie fixiert wurden. Manchmal waren Seitenscheiben zum Einstecken in die Türen erhältlich und am Windschutzscheibenrahmen gab es oft seitliche Flügelscheiben als Windabweiser.
1928 Ford Model A Deluxe Phaėton
mit teilweise montiertem Wetterschutz.
Vollen Wetterschutz boten Convertible (seltener auch: Collapsible) Sedan resp. - Limousine, dessen meist gefüttertertes Verdeck in Kombination mit Kurbelfenstern in geschlossenem Zustand wie ein Sedan oder eine Chauffeur-Limousine zu fahren waren. Diese Verdecke liessen sich auch teilweise öffnen, zum Beispiel über dem Fahrerabteil. Sie dürfen also nicht mit europäischen Kabrio-Limousinen wie Opel Olympia oder Citroën 2CV (Ente) verwechselt werden, deren Verdeck in einer festen Führung über den Seitenscheiben nach hinten öffnet.
1930 Duesenberg J lwb Murphy Convertible
Karrossier Murphy aus Pasadena fertigte exakt zwei dieser exorbitanten Convertible Sedan auf dem langen Fahrgestell des Duesenberg Model J. Dies ist der eine (Motor Nr. J-360.)
und das ist der andere....
1930 Duesenberg J lwb Murphy Convertible Berline Chassis Nr. 2307; Motor Nr. J-288. "Berline" ist schlicht die französische Bezeichnung für "Sedan" und sollte wohl etwas internationales Flair nach Pasadena tragen.
Bis 1941 (Kriegseintritt der USA) waren sowohl Phaëton wie auch Convertible Sedan praktisch verschwunden: Das eine wegen des minimalen Alltagskomforts, der andere wegen der horrenden Kosten, verursacht durch kleinste Serien und eine komplexe Konstruktion. Ausserdem waren die langen Verdecke unpraktisch und liessen sich eigentlich nur zu zweit vernünftig öffnen und schliessen.
Ein "namenstechnischer" Missgriff: Cord bezeichnete diese offene Werkskarosserie auf dem Fahrgestell des 812/SC als "Phaëton". Richtiger wäre die Bezeichnung Convertible Coupé oder Cabriolet. Nichtsdestotrotz ein automobiler Leckerbissen mit V8-Frontmotor, Kompressor und elektrischem vorwählgetriebe - und ein zeitloser Meilenstein des Automobildesigns, gezeichnet von Gordon Buehrig, Chefdesigner bei Auburn-Cord-Duesenberg und auch für die Auburn Speedster verantwortlich.
Sündhaft teuer, kleinste Stückzahlen und ein versenkbares Metalldach.
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